Geist-Zeit

An(ge)dacht. Für dich.

Bis ans Ende der Welt…

Samstagnachmittag. Freundinnenzeit. Christina und ich ziehen am Burhaver Grünstrand in den Strandkorb Nr. 63 ein. Wir strecken die nackten Füße dem Wasser entgegen; hinter unseren Zehenspitzen viel Lebensfreude auf kleinen und großen Füßen munter am Planschen.

„Wie gern lebe ich?“ Diese Frage miteinander zu besprechen, ist unser Vorhaben an diesem Nachmittag. Christina – in der Kindheit bereits durch Krebs erblindet und nun erneut mitten im Kampf gegen die Krankheit – hat von ihrem Arzt die Hausaufgabe bekommen, sich über diese Frage Gedanken zu machen. „Wie gern lebe ich?“ „Was macht für mich Lebensqualität aus?“ „Wo liegen für mich Grenzen?“ Ich spüre schnell – wenig überraschend für mich – Christinas Lebenswille liegt auf einer Skala von 0-10 bei 12. Obwohl ihr Leben von Grenzerfahrungen geprägt ist. Auf andere angewiesen zu sein, Hilfe anzunehmen, sich anderen anvertrauen zu müssen, aber auch zu können, ist für sie „normal“. Da hat sie mir viel voraus. Aber sie hat mir auch in anderen Dingen viel voraus: Gleitschirmfliegen. Schwimmen im Megastrudel des Münchner Eisbachs. Fernreisen nach Südamerika, fast bis ans andere Ende der Welt. Visionen: 2024 will sie einen 6000er besteigen. „Das Leben kann man immer gestalten und schöne Momente, intensive Körpererfahrungen, geistige Herausforderungen und sinnliche Erlebnisse schaffen.“

Wie gern lebe ich?

Und dennoch gibt es auch für Christina Grenzen. Was ist, wenn sie eines Tages kein Bewusstsein mehr hat, nicht mehr „ich“ ist oder zwar bei Bewusstsein ist, aber nicht mehr kommunizieren kann? Wenn sie völlig auf die vertrauensvollen Beziehungen angewiesen ist, in die sie sich jetzt schon fallen lassen kann?

„Nichts kann uns trennen von der Liebe Gottes“, schreibt Paulus im Römerbrief, „weder Hohes noch Tiefes, weder Engel noch Mächte noch andere Gestalten…“ Und Jesus Christus spricht: „Siehe, ich bin bei euch alle Tage, bis ans Ende der Welt“.

Wie gern lebe ich?! Seit jenem Samstagnachmittag wohnen diese Worte nicht mehr nur als Urlaubsgefühl in mir. Sie sind zu einem Schatz geworden, den ich tief in meinem Herzen trage. Und wer weiß – vielleicht lasse ich mich von Christina 2024 sogar am Ende der Welt mit auf den 6000er nehmen.

Und du? Wie gern lebst du?

Vom Mittelpunkt der Welt

Der Traum von der Nordsee – so schnell kann er platzen: „Von wegen Nordsee“, schrieb ein Urlauber in einem digitalen Gästebuch eines Butjenter Ferienquartiers, „die haben sie hier hinter Hügeln versteckt. Man sieht die gar nicht. Meine Frau war so enttäuscht. Sie hatte immer davon geträumt, an der Nordsee Urlaub zu machen.“ Tja, das Internet ist nicht immer ein Segen.

Das ist eine merkwürdige Haltung. Begegnet mir in letzter Zeit häufiger. So als ob vieles in der Welt nur deswegen gäbe, damit ich mich ärgere. Ich mit der richtigsten aller Sichtweisen. Ich als das kleinste Zentrum der ganzen Welt. Und dabei immer: Meckernd und isoliert. Irgendwie unglücklich.

„Für Gott bist Du der Mittelpunkt der Welt.“ Sage ich bei jeder Taufe. Und glaube auch fest dran. Das ist so. Und bedeutet: Du hast deinen Platz in der Welt. Nichts und niemand kann dir den streitig machen. Nicht mal du selbst. Du bist Teil von Gottes „Ganz“. Auch wenn du nicht alles verstehst, bleibst du in allem verbunden. Glücklich, vielleicht kann man auch das sagen.

Mir hilft der Deich manchmal dabei. So, wie mein Blick begrenzt ist, öffnet sich oben etwas Weites. Und ich verliere mich drin und fühle mich gleichzeitig verbunden. Manchmal ist das so. Am Deich oder in der Küche mit Kaffee und Besuch. Oder mit einem Kumpel in der Kneipe. Oder beim Radfahren. Oder beim Ins-Bett-Bringen der Kids. Ein glückliches Aufblitzen: Der Mittelpunkt der Welt und mit allem verbunden.

Atempause: Salz der Erde – Licht der Welt

Haben Sie schon mal ein Brot gebacken oder Essen gekocht und das Salz vergessen?

Das anschließende Geschmackserlebnis vergisst man nicht so schnell und man wird zukünftig etwas sorgfältiger bei der Zubereitung sein. Denn ohne Salz schmeckt es einfach nicht. Und ohne Salz ist der Körper mangelversorgt. Salz ist also wichtig für das Überleben.

Bevor Jesus seine Bergpredigt hält, schwört er seine Zuhörer*innen genau darauf ein. Sie sind wie das Salz, lebensnotwendig für die Erde. Sie sind daher kostbar und wichtig. Wenn sie ihre Kraft verlieren, läßt ihre Wirkung nach. Das Leben auf der Erde wird härter, schwieriger.

Sind denn damit Christen bessere Menschen als der Rest? Gelingt das Leben auf der Erde nur mit christlicher Begleitung? Oder haben Christen einen besonderen Job, der sie allerdings regelmäßig überfordert? Denn wer hat schon unendlich Kraft? Wer kann ohne Pause reinbuttern? Wer ist immer da, am rechten Ort zur rechten Zeit, um anderen zu helfen?

Jesus geht bei seinem Briefing sogar noch einen Schritt weiter. „Ihr seid das Licht der Welt“ mutet er den Gläubigen zu. Vielleicht ist gerade dieser Vergleich viel zu oft missverstanden worden. So als ob Christen als leuchtende Vorbilder leben sollen. Als tadellose, fromme und perfekte Menschen, die immer genau wissen, was richtig und was falsch ist.

Ich glaube nicht, dass Jesus das so gemeint hat. Ich glaube, dass es ihm darum geht, seinen Freundinnen und Freunden neue Kraftquellen zu erschließen. Er begegnet den Menschen, die sich seine Worte zu Herzen nehmen, mit Wertschätzung und Respekt. Sie sind kostbar wie Salz und dazu noch not-wendend für die Erde. Das heißt, sie können etwas tun, ihr Wirken dient dem Leben. Glaube und Handeln gehören zusammen.

Wie das möglich ist? Wie der Mond leuchtet, weil ihn die Sonne anstrahlt, geben wir das weiter, was wir bekommen haben.

Die Menschenfreundlichkeit Gottes, die uns in Jesus Christus unendlich nah gekommen ist, lassen wir in unserem Leben wirken, mit Güte, Großherzigkeit und Freundlichkeit gerade jetzt. Gerade jetzt, wo jede noch so kleine Zuwendung in den Katastrophengebieten gebraucht wird.

Christen sind nicht besser als der Rest, sie haben es nur leichter. Weil sie wissen, am Ende wird alles gut.